Der Rücktritt von Eva-Lotta Sjöstedt als Karstadt-Geschäftsführerin ist konsequent und verdient Respekt. Leider offenbart sich dadurch die tragische Situation, für die Nicolas Berggruen zwar nicht alleine verantwortlich ist, die er aber maßgeblich verschärft hat - insbesondere durch massiven Kapitalabfluss in seine Taschen für Lizenzrechte. (Kein Pappenstiel, immerhin ca. 12 Mio pro Jahr an einen Briefkasten auf den niederländischen Antillen.)
Das Tafelsilber ist weg
Wurden die wertvollen Immobilien bereits von Thomas Middelhoff verscherbelt, gingen die interessanten Häuser, wie KaDeWe, Alstershaus und vor allem Karstadt-Sport jetzt schon mal an den österreichischen Immobilienmagnaten René Benko. Wenn der Hauptgesellschafter, also Nicolas Berggruen bzw. seine niederländische Holding B.V. Stores nicht bereit ist, signifikant zu investieren, reichen die Bordmittel nicht zum Überleben geschweige denn für einen wie auch immer gestalteten Relaunch.
Kein Vertrauen in die eigene Marke
Wenn Karstadt – initiiert von Sjöstedts Vorgänger Andrew Jennings – den wichtigsten Shop im Shop „K-TOWN“ nennt, ist das nicht nur ignorant (denn so nennen die GIs Kaiserslautern) sondern die klare Botschaft, dass man den Namen KARSTADT für ungeeignet hält, damit aktuelle Mode zu verkaufen.
Keine Ideen, kein Konzept
Der gesamte, stationäre Einzelhandel leidet unter Amazon & Co. Um dagegen zu halten, muss man mit Dingen punkten, die Online nicht geleistet werden können. Naheliegend ist es, Einkaufen zum Erlebnis zu machen, insbesondere zu einem Erlebnis der Sinne, die über einen Bildschirm und Lautsprecher allein nicht angesprochen werden können – von der olfaktorischen Wahrnehmung bis zur Haptik. Dafür gibt es aber keinerlei Ansätze.
Die falsche Belegschaft
Die Belegschaft gehört unzweifelhaft zu den wichtigsten Leidtragenden der aktuellen und zu erwartenden Situation. Tragisch ist, dass junge, motivierte Kräfte in Krisenzeiten als erstes freigesetzt werden oder auch von sich aus bessere Alternativen suchen. Zurück bleibt die ältere, langgediente Belegschaft. Wer schon mal bei Karstadt einkaufen war, der wird eine gewisse Bemühtheit und auch Freundlichkeit dem Verkaufspersonal nicht grundsätzlich absprechen wollen. Aber - gerade wenn wir vom Einkaufen als Erlebnis sprechen - trennen die meisten Damen und Herren im Verkauf in ihrer Wirkung Lichtjahre von denen bei Abercrombie & Fitch und selbst von denen bei H&M.
Keine Differenzierung
In großen Städten, in denen sowohl Karstadt als auch der Hauptwettbewerber Galeria Kaufhof präsent sind, unterscheiden beide sich – für den Kunden wahrnehmbar – nur in der Hausfarbe: blau bei Karstadt und grün bei Kaufhof. Und im Zweifel hat Kaufhof das bessere Sortiment. Letztendlich braucht auch das Konzept KAUFHOF eine Reform zu Attraktivitätssteigerung des innerstädtischen Einkaufens, hat dafür aber die besseren Voraussetzungen. Impulse kommen dafür übrigens von ganz anderer Seite, z.B. von IKEA.
Vollkommen richtig. Erschwerend für Karstadt sei aber noch zu erwähnen, dass das klassische Warenhaus-Konzept ein Musterbeispiel für eine "Stuck in the middle"-Positionierung ist, die in Zeiten der ständigen Verfügbarkeit von Waren obsolet geworden ist.
AntwortenLöschenEine Steigerung des Einkaufswerts um Elemente des Attraction Marketings ist den eingerosteten und demotivierten Strukturen, auch dank wechselnder Kapitäne, nicht mehr zuzutrauen.
So geht sie dahin, eine bekannte Marke, die in Deutschland groß wurde und lange Bestand hatte. Aber heutzutage fressen nicht mehr die Großen die Kleinen, sondern eben die Schnellen die Langsamen.